Von Intershop zu AI-Ready: Warum B2B-Unternehmen jetzt ihre E-Commerce-Architekturen überdenken müssen
Nach über 20 Jahren in der digitalen Transformation von B2B-Unternehmen erlebe ich gerade einen fundamentalen Paradigmenwechsel. Es geht nicht mehr nur darum, Kataloge zu digitalisieren oder Bestellprozesse zu automatisieren – es geht um die Vorbereitung auf eine Welt, in der KI-Agenten autonom Einkaufsentscheidungen treffen.
Die neue Realität: Wenn Maschinen bei Maschinen kaufen
Bei meiner Arbeit für die BOMAG GmbH, wo ich einen internationalen Webshop-Rollout mit einem Umsatz im dreistelligen Millionenbereich verantworte, wird eines deutlich: Die Zukunft gehört nicht dem Menschen am Bildschirm, sondern dem autonomen Procurement-Agenten.
Stellen Sie sich vor: Ein Bauunternehmen nutzt KI-gestützte Flottenmanagement-Software. Diese erkennt automatisch, dass eine Walze in 200 Betriebsstunden gewartet werden muss, bestellt eigenständig die benötigten Ersatzteile, vergleicht Preise über verschiedene Lieferanten und koordiniert die Lieferung mit dem Wartungsfenster. Kein menschlicher Einkäufer involviert.
„Bis 2025 werden 80% aller B2B-Transaktionen online abgewickelt. Aber was Gartner noch nicht sagt: Ein Großteil davon wird ohne menschliche Interaktion erfolgen.“
Warum traditionelle B2B-Plattformen wie Intershop an ihre Grenzen stoßen
Ich habe in meiner Karriere zahlreiche Intershop-Implementierungen geleitet – bei Häfele, bei BOMAG, in über 30 Ländern. Intershop ist eine robuste, bewährte Plattform. Aber sie wurde für eine andere Ära entwickelt:
- Monolithische Struktur: Änderungen an einer Stelle erfordern umfangreiche Tests des Gesamtsystems
- Template-basiertes Frontend: Optimiert für Browser, nicht für API-First-Kommunikation
- Begrenzte Echtzeit-Fähigkeiten: Batch-Prozesse statt Event-Driven Architecture
- SAP-Integration als Flaschenhals: Die typische nächtliche Synchronisation reicht nicht mehr aus
Bei Heidelberg Digital Unit erlebte ich hautnah, wie diese Limitierungen Innovation bremsen. Wir wollten predictive Maintenance für Druckmaschinen mit dem E-Commerce-System verknüpfen – die monolithische Architektur machte dies zu einem Mammutprojekt.
Der Weg nach vorn: Headless als Brückentechnologie
Phase 1: API-First mit bestehenden Systemen
Sie müssen nicht alles wegwerfen. Bei einem meiner aktuellen Projekte nutzen wir das Strangler Fig Pattern:
- API-Layer aufsetzen: Wir platzieren eine moderne API-Schicht (GraphQL) vor dem bestehenden Intershop-System
- Schrittweise Ablösung: Neue Features werden als Microservices entwickelt, alte bleiben zunächst im Monolithen
- Datendemokratisierung: Produktdaten, Preise und Verfügbarkeiten werden über standardisierte APIs zugänglich
Phase 2: Composable Commerce für echte KI-Readiness
Aus meiner Erfahrung bei Merck, wo wir E-Procurement-Anbindungen für pharmazeutische Produkte in Asien und Europa realisierten, weiß ich: Die Zukunft liegt in der Orchestrierung spezialisierter Services.
| Komponente | Traditionell (Monolith) | Composable (Best-of-Breed) |
|---|---|---|
| Produktsuche | Integrierte Volltextsuche | Algolia/Elasticsearch mit KI-Ranking |
| Preisfindung | Statische Preislisten | Dynamic Pricing Engine (KI-gestützt) |
| Recommendations | Rule-based Cross-Selling | Machine Learning basierte Predictions |
| Inventory | Nächtlicher SAP-Abgleich | Event-Streaming in Echtzeit |
Konkrete Use Cases aus der Praxis
🤖 Autonome Nachbestellungen im Maschinenbau
Ein mittelständischer Maschinenbauer, den ich berate, implementiert gerade Predictive Procurement:
- IoT-Sensoren melden Verschleißdaten
- KI prognostiziert Ausfallwahrscheinlichkeiten
- Procurement-Agent bestellt automatisch Ersatzteile
- ROI: 34% weniger Stillstandzeiten, 18% Reduktion der Lagerkosten
📊 ISO 8000 Compliance als Wettbewerbsvorteil
Die EU AI Act und ISO 8000 Standards für Datenqualität werden zum Game Changer. Unternehmen ohne strukturierte, maschinenlesbare Produktdaten werden für KI-Agenten unsichtbar. Ein Kunde aus der Elektronikbranche konnte durch ISO 8000-konforme Datenhaltung seine Sichtbarkeit in automatisierten Beschaffungssystemen um 400% steigern.
🔄 Multi-Channel wird zu Multi-Agent
Bei Vision Healthcare entwickelten wir nicht nur für Amazon und Online-Apotheken – wir bereiteten die Systeme auf eine Zukunft vor, in der Gesundheits-Apps autonom Nahrungsergänzungsmittel nachbestellen, basierend auf Fitnesstracker-Daten.
Ihr Aktionsplan: Die nächsten 90 Tage
Woche 1-2: Bestandsaufnahme
- API-Readiness Assessment Ihrer aktuellen Plattform
- Identifikation der kritischsten Integrationspoints
- Quick-Win Analyse: Welche Prozesse profitieren sofort von KI?
Woche 3-4: Strategie-Definition
- Build vs. Buy Entscheidung für KI-Komponenten
- Roadmap für schrittweise Migration
- Business Case mit konkreten KPIs
Monat 2-3: Proof of Concept
- Pilot mit einem isolierten Use Case (z.B. intelligente Produktsuche)
- Messung der Performance-Verbesserung
- Skalierungsplan basierend auf Learnings
Die unbequeme Wahrheit
Nach zwei Jahrzehnten in der digitalen Transformation kann ich Ihnen versichern: Die Unternehmen, die jetzt nicht handeln, werden in drei Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig sein.
Es geht nicht darum, auf jeden Technologie-Hype aufzuspringen. Es geht darum, die fundamentale Verschiebung zu erkennen: Von menschen-zentrierten zu maschinen-optimierten Geschäftsprozessen. Ihre Kunden werden bald keine Menschen mehr sein – sondern intelligente Agenten, die in Millisekunden entscheiden, ob Ihr Angebot relevant ist.
Sie möchten mehr über die praktische Umsetzung erfahren? Lassen Sie uns über Ihre spezifische Situation sprechen. Mit meiner Erfahrung aus Projekten bei BOMAG, Heidelberg, Merck und vielen anderen kann ich Ihnen konkret aufzeigen, welche Schritte für Ihr Unternehmen sinnvoll sind.
Über den Autor: Michael Kraewing ist B2B Digital Transformation & AI-Readiness Expert mit über 20 Jahren internationaler Projekterfahrung. Als Autor des Fachbuchs „Digital Business Strategie für den Mittelstand“ und zertifizierter SCRUM Master/Product Owner begleitet er Unternehmen bei der Evolution von Legacy-Systemen zu zukunftsfähigen Commerce-Architekturen.